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 der guten Ideen

Ergänzendes Scannen

Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) und der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) haben eine Muster-Verfahrensdokumentation  zum ersetzenden Scannen  (Version: 2.0; Stand: 29. November 2019)  - nachfolgend Musterverfahrensdokumentation - veröffentlicht.

Bei dem Begriff "ersetzendes Scannen" wird davon ausgegangen, dass die Originale nach dem Einscannen vernichtet werden. Die Autoren der Musterverfahrensdokumentation (a.a.O.) weisen aber sehr deutlich darauf hin, dass nicht alle Dokumente "ersetzend" gescannt werden können. Das mag allenfalls bei den Belegen des Rechnungswesens (Buchführungsbelege) möglich sein. Bei Dokumenten, deren Anerkennung von der Vorlage des Originals abhängig ist, kann man - um die Vorzüge zu nutzen, die ein elektronisches Dokument gegenüber einem Papierdokument hat - an ein "ergänzendes" Scannen denken.

Große organisatorische Bedeutung  muss man der Frage beimessen, wann Dokumente gescannt werden sollen. Hier spricht man von "vorgelagertem" und "nachgelagertem" Scannen.

Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) haben nicht erst seit Corona ein teilweise starkes Bedürfnis, durch Digitalisierung zu rationalisieren. Ungeduldiges "Machen" führt hier aber oft zu katastrophalen Fehlergebnissen mit erheblichen Kosten. Neben der Kostenbelastung muss dringend darauf hingewiesen werden, dass bei technischen oder menschlichen Fehlern im Zusammenhang mit der Digitalisierung nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen kann. Zum Beispiel, wenn beim ersetzenden Scannen die Papierdokumente vernichtet wurden und die elektronischen Dokumente nicht oder nicht mehr verfügbar sind. Ein Aufzeigen aller möglichen Folgen soll an dieser Stelle unterbleiben. In der Musterverfahrensdokumentation (a.a.O.) werden viele Maßnahmen und Beispiel besprochen, durch deren Beachtung ein derartiger GAU vermieden werden kann. 

Am Beispiel der Posteingangstelle eines mittleren Unternehmens sollen die nachfolgenden Begriffe stichwortartig besprochen werden.

Vorgelagertes Scannen
Die Dokumente werden im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Eingangspost eingescannt. Alle weiteren Bearbeitungsschritte erfolgen an der und unter Verwendung der elektronischen Datei. Das Papier scheidet bei der weiteren Bearbeitung als Informationsquelle und Träger von Bearbeitungsvermerken aus. Je nach Organisation des Unternehmens müssen in diesem Fall softwaregestützte Bearbeitungsprogramme - oft in der Gestaltung oder in Verbindung mit Work-Flow-Anwendungen - vorhanden sein. Dieser Ablauf erfolgt für beide Arten von Dokumenten, (1) die vernichtet werden können (also als ersetzendes Scannen) und (2) deren Vernichtung ausgeschlossen sein muss (also als ergänzendes Scannen).

Nachgelagertes Scannen
a. Die Papierdokumente durchlaufen nach dem Posteingang mehrere oder alle Bearbeitungsstufen im Unternehmen (bei Rechnungen zum Beispiel Rechnungsprüfung, Freigabe zur Erledigung der Bezahlung, Dateneingabe in die Finanzbuchführung). Hier erfolgt das Einscannen regelmäßig, wenn weitere Bearbeitungsschritte nicht mehr zu erwarten sind, also nach einem großzügig bemessenen Zeitraum von bespielsweise 6 Monaten.  Dieser Ablauf erfolgt für Dokumente, die vernichtet werden können (also als ersetzendes Scannen). Da hier die Bearbeitung "papierorientiert" erfolgt, müssen alle Bearbeitungsschritte abgeschlossen sein. Oder man entschließt sich, bei dem nachgelagerten  Scannen auf Nummer sicher zu gehen und auch die vernichtungsfähigen Papier-Dokumente nicht zu vernichten.
b. Bei den von einer Vernichtung ausgeschlossenen Dokumenten entfallen in aller Regel weitere Bearbeitungsschritte, man muss sie nur aufbewahren. Da dies dual in Papier und elektronisch erfolgt, spielt der Zeitpunkt, zu dem gescannt wird, keine große Rolle. Wichtiger ist es, auf Vollständigkeit und ordnungsgemäße Ablage zu achten, um unnötiges Suchen zu vermeiden.

Ersetzendes Scannen
Ersetzendes Scannen bedeutet, dass die Papierbelege nach dem Einscannen vernichtet werden. In der Musterverfahrensdokumentation (a.a.O.) werden die zahlreichen Vorkehrungen beschrieben, die für eine sichere Anwendung notwendig sind. Größere Unternehmen können das durchaus stemmen. Entsprechend geschulte und spezialisierte Mitarbeiter sind ausschließlich in Abteilungen wie Posteingang und Archiv tätig. Anders  bei KMU. Dort werden diese Arbeiten sehr oft von Mitarbeitern mit erledigt. Gerade in diesem "mit erledigt" liegt das allzu menschliche Risiko, dass Fehler vorkommen. Außerdem sind im Fall einer Betriebsprüfung die Folgen bei einem Großbetrieb anders als bei einem KMU, wenn ein Beleg nicht vorgelegt werden kann.
Da ein Teil der Dokumente nicht vernichtet werden sollte und im Hinblick auf den nicht geringen Aufwand zur Organisation des Vernichtens der übrigen Dokumente, ist die Überlegung durchaus relevant, anstelle des ersetzenden das ergänzende Scannen einzuführen.

Ergänzendes Scannen
a. Im Verhältnis zu Papierdokumenten
Es darf davon ausgegangen werden, dass das vorgelagerte Scannen dem nachgelagerten vorzuziehen ist. Nur durch diese Organisation lässt sich erreichen, dass sämtliche Papier-Dokumente, die ein Unternehmen erreichen, eingescannt werden.
Ein weiterer Vorteil ist die sofort nach dem Scannen des Posteingangs multiple Verfügbarkeit der elektronischen Dokumente. Rechnungsprüfung, Buchführung, Einkauf, Geschäftsleitung und weitere Nutzer können jederzeit auf die Datei zugreifen, um sie zu bearbeiten oder sich zu informieren. Interaktionen, wie die automatische Bezahlung von Rechnungen, die medienbruchfreie Übernahme der Daten in andere IT-Systeme wie Buchführung, Warenwirtschaft und dergleichen ersparen zeitaufwendige Datenerfassungen mit all ihren Nachteilen.
b. Im Verhältnis zu eingehenden digitalen Dokumenten
E-Mail-Anhänge und heruntergeladene Dateien sind nur zwei Beispiele des Wandels von Papier zu elektronischen Dokumenten. Man wird darauf achten müssen, dass die elektronisch empfangenen Dateien im Endprodukt "elektronisches Archiv" nach den absolut gleichen Kriterien behandelt werden, wie die eingescannten. Dem Nutzer - zum Beispiel in der Buchhaltung - ist es nicht zuzumuten, eine elektronisch empfangene Rechnung anders bearbeiten zu müssen als eine Rechnung, die in papier-Form empfangen und dann eingescannt wurde.

Zu vernichtende Dokumente
Wer sich für das ersetzende Scannen entscheidet, muss dies gut vorbereiten. Die Entscheidung, welche Dokumente nicht vernichtet werden dürfen, muss in einer Organisationsanweisung oder besser in der Verfahrensdokumentation geregelt werden. Ad-hoc-Entscheidungen müssen ausgeschlossen werden. Sofern eine solche deshalb benötigt wird, weil deren Ursache bei der Erstellung der Verfahrensdokumentation übersehen wurde, muss diese entsprechend ergänzt (versioniert) werden.   

Nicht zu vernichtende Dokumente
Versicherungsverträge, Geburts- oder Sterbeurkunden, Familienbücher, Notarielle Urkunden sind Beispiele für offizielle Dokumente, deren Vorlage im Original erforderlich. Die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund von Unterschriften Dritter - zum Beispiel aufgrund von Verträgen - gelingt bei Gericht derzeit nur, wenn das Original des Dokuments oder das Original einer öffentlichen Beglaubigung einer Kopie der Dokuments vorgelegt werden kann. Diese Dokumente dürfen also niemals vernichtet werden. Sie dennoch "ergänzend" einzuscannen, empfiehlt sich dagegen sehr, um die oben beim ergänzenden Scannen beschriebenen Vorteil zu erreichen.

Fazit
Die Vorteile des Einscannens von Papierdokumenten sind signifikant. Allerdings sind gründliche Vorbereitungen unerlässlich. Besondere Sorgfalt ist empfohlen bei der Planung und Durchführung der Vernichtung von Papier-Dokumenten. Die Vereinheitlichung des elektronischen Archivs für durch Einscannen entstandene und elektronisch empfangene Dateien erscheint eine unverzichtbare Anforderung zu sein.

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